Versorgungslücken nach Vergewaltigung schließen

Landesarbeitsgemeinschaft der Frauennotrufe unterstützt Papier des Bundesverbandes

Eine umfassende Erstbehandlung insbesondere nach sexualisierter Gewalt muss sichergestellt sein. Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) veröffentlicht Forderungen an die Politik und startet Social-Media Aktion mit Erfahrungen von Betroffenen.

Seit 2020 ist die Finanzierung der vertraulichen Spurensicherung nach sexualisierter und körperlicher Gewalt als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen über das Masernschutzgesetz rechtlich verankert. Die vertrauliche Spurensicherung soll auch finanziert werden, wenn Betroffene keine polizeiliche Anzeige erstattet haben. Sie umfasst Dokumentation, Laboruntersuchungen und Aufbewahrung der Befunde. Eine Umsetzung des Gesetzes fehlt zwei Jahre später immer noch.

Ein weiteres Problem: Leider ist im Gesetz nur die Spurensicherung geregelt. Die medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung (MSnV), die in Rheinland-Pfalz bereits an fünf (demnächst mit 6) Standorten (seit 2018 Mainz und Worms, seit 2020 Koblenz und Trier, seit 2021 Idar-Oberstein und für 2022 Ludwigshafen) in Zusammenarbeit mit den Kliniken installiert ist, gewährleistet darüber hinaus eine traumasensible und umfassende medizinische Versorgung nach einer Vergewaltigung. „Das ist genau das, was die Frauen sich wünschen, wenn sie ein Krankenhaus nach einer erlittenen Vergewaltigung aufsuchen – und genau das wird jedoch nicht finanziert über das Gesetz,“ sagt Ruth Petri, die Koordinatorin der Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung (MSnV) in Rheinland-Pfalz.

Dazu Katharina Göpner, bff-Geschäftsführerin: „Die Istanbul-Konvention ist geltendes Recht und verpflichtet Deutschland dazu, eine kostenfreie und flächendeckende Akutversorgung nach sexualisierter oder körperlicher Gewalt sicherzustellen, sonst ist die Gesundung von Betroffenen massiv gefährdet.“ Der bff veröffentlicht ein aktuelles Forderungspapier „Versorgungslücken schließen – medizinische Behandlung nach Vergewaltigung sicherstellen“, welches von Beraterinnen aus der Praxis erarbeitet wurde und die mangelnde medizinische Versorgung nach erlebter Gewalt in den Mittelpunkt stellt.

Begleitet wird die Veröffentlichung des Papers durch eine Social-Media Aktion mit Fallgeschichten von Betroffenen. Die weiteren Fälle zeigen wie die unzulänglichen Strukturen z.B. für Frauen mit Behinderungen oder ohne Krankenversicherung massive Auswirkungen haben.

Die medizinische, rechtsmedizinische und psychosoziale Versorgung von Betroffenen müssen Hand in Hand gehen. Betroffene von Gewalt brauchen Rund-um-die-Uhr gut erreichbare Versorgungsangebote mit einem traumasensiblen, diskriminierungs- und barrierefreien Ansatz.

Im Jahr 2021 nahmen in Rheinland-Pfalz an den vier bestehenden Standorten insgesamt 44 Frauen das Angebot der Medizinischen Soforthilfe mit und ohne dem Angebot der vertraulichen Spurensicherung in Anspruch.

„Die meisten Vergewaltigungen werden nicht angezeigt und die wenigsten Frauen lassen sich nach einer Vergewaltigung medizinisch versorgen. Die medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung rückt die Versorgung vor der Spurensicherung in den Mittelpunkt. Das entspricht dem Bedürfnis der von Vergewaltigung betroffenen Frauen und Mädchen,“ betonen Sabine Wollstädter und Anette Diehl vom Frauennotruf Mainz. „Nicht die Anzeige, sondern die körperliche (und seelische) Heilung steht für die Frauen im Mittelpunkt.“

(verantwortlich: Anette Diehl, Frauennotruf Mainz)

Veröffentlicht am 26.05.2022.